Streiten – muss das sein?

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Kaum jemand streitet gern, denn ein Streit ist unangenehm. Nur wenige Menschen behaupten, Streiten macht Spaß. Aber auch sie haben eigentlich Angst vor einem echten Konflikt. Nur wenige Menschen unter uns streiten ohne jegliche Bedenken.
Streiten dient der Lösung von Konflikten, ist daher notwendig und gehört zur Kommunikation wie liebevolle Zuwendung. Das war nicht immer meine Überzeugung, denn als Kind erlebte ich das Gegenteil. Meine Eltern haben sich leider oft gestritten. Nur selten wieder vertragen und sich endgültig getrennt, als ich sieben Jahre alt war. Wahrscheinlich hat diese Erfahrung dazu geführt, dass ich später einem Streit lieber aus dem Weg gegangen bin.
mondAuch noch als erwachsener Mann war ich bei Konflikten zurückhalten (lieber habe meinen Ärger eher hintergeschluckt und bin erst, wenn es gar nicht mehr anders ging, auch mal vor Wut geplatzt). Aber immer hatte ich nach derartigen Streitigkeiten ein ungutes Gefühl.

Die meisten von uns haben Streiten nicht gelernt. Eher fragt man sich, ob Streiten überhaupt sein muss. „Kann man nicht vernünftiger kommunizieren?“ Diese Frage taucht immer wieder auf, wenn die Angst vor einer Auseinandersetzung größer ist als der Mut, anstehende Konflikte offen auszutragen. Dazu ein Beispiel: Meine Freundin und ihr Mann. Sie haben sich offensichtlich sehr lieb. Sie waren schon zwei Jahre miteinander glücklich und hatten sich noch nie gestritten. Doch vor einigen Tagen war etwas Schreckliches passiert. Bei einer Party hatte der Mann, entgegen seiner sonstigen Gewohnheit, weit über den Durst getrunken. Durch den Alkohol sichtlich enthemmt, fing er an zu streiten, hatte unter anderem auch seine Frau beschimpf und nun waren beide sehr erschrocken. Ihm war der Vorfall völlig unerklärlich und es tat ihm Leid, was er angerichtet hatte. Aber was sollten sie nun machen? War die vorher so harmonische Beziehung jetzt zu Ende? Hatten sie sich nun nicht mehr lieb? Musste sie sich jetzt gar von ihm trennen? Diese Fragen beschäftigten uns.

Sie erkannten, dass sie immer versucht hatten, Konflikte zu vermeiden, um den anderen und sich selbst vor unangenehmen Gefühlen zu schützen. Bei einem Streit sind immer Gefühle beteiligt. Auch dann, wenn sie für uns beängstigend sind und wir sie nicht wahrhaben wollen. Sie dienen als Signale zur Bewältigung von Notsituationen und dem Ausgleich gegenseitiger Interessen und Bedürfnisse.